Erfahrungsbericht: der erste Kontakt mit KDE4
 

Letztens las ich in einem Bericht im Internet, daß der neue KDE4 Desktop weniger Speicher braucht, als sein Vorgänger, KDE3. Mann, dachte ich, das ist ja mal wieder absolut Linux-like. Während Microsoft seine Betriebssysteme immer weiter aufbläht, so daß man schon 2 Gigabyte Arbeitspeicher braucht um mit einem heutigen Vista oder Windows7 vernünftig zu arbeiten, machen die KDE-Entwickler das aus meiner Sicht einzig Richtige. Sie machen die Umgebung schlanker, damit man auch was von der Leistung des PC´s hat. Es bringt ja nichts wenn Otto-Normal-User seinen PC mal wieder voll aufgemotzt hat mit neuer 2-Takt-CPU, schneller Grafikkarte und jeder Menge Speicher, wenn das nächste Windows ihn wieder voll in die Knie zwingt und er lahm ist wie zu Omas Zeiten. Vor allem, wo soll das noch hinführen?

Durch besagten Artikel war also mein Interesse geweckt. Höchste Zeit auf meinem Versuchs-Rechner mal das neue Debian testing - Codename squeeze - mit KDE4 Desktop zu testen. Also hab ich mal schnell die 650 MByte KDE Installations-CD von der Debian Homepage runtergeladen und in das Laufwerk meines Versuchs-PC gesteckt. Die Installation muß bei mir zweckmäßig sein und nicht schick, daher hab ich auf die grafische Installation verzichtet und mich der altbewärten, textbasierten Installation gewidmet. Diese verlief auch ohne Probleme und nach entfernen des Installations-Mediums und einem anschließendem Neustart, wartete ich gebannt auf den ersten Eindruck. Der lies leider noch ein wenig auf sich warten....

Der erste Kontakt - Paßwort failed?!

Nachdem die üblichen Meldungen über den Bildschirm gehuscht sind, startete der X-Server und der gewohnte kdm-Login lud mich ein meinen Benutzernamen und das Paßwort einzugeben. Doch was war das? Obwohl ich meinte alles richtig eingegeben zu haben, sagte mir der Login "Password failed". Ups! Hatte ich bei der Installation mich vertippt? Gleich zweimal und das auch noch im gleichen Maße? Sehr unwahrscheinlich. Also ein kleiner Test auf der Konsole. Ah, hier kann ich mich ohne Probleme einloggen. Also nochmal scharf nachdenken. Wenn es auf der Konsole geht, aber am kdm Login scheitert, was könnte der Grund sein. Feststelltaste? Wird angezeigt. Anderer Zeichensatz? Oh, ja! Wie mir die Eingabe anderer Zeichen am Login als meinen Namen beweißt, ist hier anscheinend die US-Tastatur Belegung aktiv. Das bedeutet Y und Z vertauscht. Dumm aber auch, daß in meinem Paßwort selbiges vorkommt. Also mal kurz umgedreht und siehe da, KDE startet. Und in was für schickem Design. Statt grob klotzigen Symbolen zeigen sich die Symbole der einzelnen Geräte in schickem, spiegelndem Design. Noch dazu materalisieren sie sich aus einer Unschärfe heraus. Das macht optisch einiges her und wirkt schwer professionell. Auch wenn´s nur spielerei ist, ist es absolut schick.....

Übrigens die falsche Tastatur-Belegung bei kdm war dann schnell erklärt. Ein Blick in die Konfigurations-Datei des X-Servers unter /etc/X11/xorg.conf in der alle Dinge wie z.B. die Grafikkarte, Maus und eben die Tastatur festgehalten sind, zeigte mir, diese ist leer. Ich nehme mal an, daß in dem Fall der X-Server standardmäßig die US-Tastatur verwendet. Erst nachdem ich die entsprechenden Einträge von Hand nachgereicht hatte (Option "XkbLayout" "de") gabs keinerlei Probleme mehr mit dem Login.

Ja, wer hat da wohl von wem und überhaupt wieso?

Es ist schon faszinierend heutzutage. Also entweder verschmilzt alles irgendwie oder jeder guckt von jedem ab. Microsofts Windows 7 bringt einige Features mit, wie z.B. die Widgets, die es unter Linux schon lange gibt und wenn ich mir den KDE4 Desktop so auf den ersten Blick anschaue, erinnert er mich unweigerlich an Vista oder auch Windows 7 (was wahrscheinlich dasselbe ist, da Windows7 vermutlich nur ein upgedatetes Vista ist). Das ganze Ausmaß dieser Ähnlichkeit wird einem erst so richtig bewußt, wenn man es schafft die Desktop-Effekte zu aktivieren. Dann kann man bis ins kleinste Detail einstellen, mit welcher Animation geöffnete Fenster in der Taskleiste (die heißt jetzt übrigens nur noch Panel) verschwinden sollen oder ob geöffnete Fenster beim ziehen durchsichtig sein sollen, usw.... Ich habe mich ehrlich gesagt bisher nicht viel mit Vista beschäftigt, gezwungenermaßen wenn es mir ein Freund vor die Nase gehalten hat, aber auf den ersten Blick ist die Ähnlichkeit absolut frappierend, vor allem im Hinblick auf die Effekte. Über Sinn und Unsinn solcher Effekte kann man nun streiten. Leute, die eher mit dem System arbeiten wollen, werden sie wohl eher meiden, aber eines kann man nicht abstreiten - schön für´s Auge sind sie allemal, daher wird mein Screenshot der eigentlichen Schönheit des KDE4 Desktops nicht gerecht. Dazu hätte ich schon einen Film einstellen müssen....

Was sofort beim ersten Einrichten auffällt, die Steuerung des "Panels" (die untere Leiste) hat sich grundlegend verändert. Leider muß ich gestehen, für mich nicht direkt in Richtung intuitiv. Ich mußte erstmal google bemühen, bis ich eine Checkung hatte. Obwohl ich zugeben muß, wenn man´s erstmal kapiert hat, ist es fast einfacher als früher. Zu startende Programme kann man einfach aus dem Startmenü auf die Leiste ziehen und wenn man den Einstellungsdialog öffnet, kann man die Symbole auch umsortieren. Kleiner Tip: Man kann auch mit dem Rechtsklick der Maus arbeiten, aber ein Klick auf die kleinen Icons am rechten Oberen und rechten Unteren Bildschirm gibt auch die gewünschten Einstellungen preis. Übrigens, wer genau hingeschaut hat, dem ist aufgefallen, daß das Panel leicht durchsichtig ist. Leider läßt sich diese Transparenz anscheinend weder abschalten, noch beeinflussen. Zumindest habe ich es nach langem Suchen aufgegeben, den Knopf dafür zu finden. Na, vielleicht bei KDE 4.3....

Kontrollzentrum? Sorry, Systemeinstellungen

Da die Sprache noch in Englisch war, wollte ich gleich mal das entsprechende deutschsprachige Paket installieren. Also erstmal die Konsole aufmachen, ah die gibt es noch. Leider quitierte mir ein
# apt-get install kde-i18n-de
mit einer Fehlermeldung, daß das angeforderte Paket entweder nicht verfügbar ist oder veraltet ist. Immerhin ein freundlicher Hinweis, daß es jetzt
# apt-get install kde-l10n-de
heißt. Na, dann nehmen wir halt das Paket. Nun sollte man im Kontrollzentrum die deutsche Sprache einstellen können. Ja, bloß....wo ist nur das Kontrollzentrum? Wieder mal google bemüht, mußte ich feststellen, daß es das besagte Zentrum nicht mehr gibt, bzw. es jetzt Systemeinstellungen heißt. Hach, wieso muß man nur immer alles umdrehen oder neu benennen? Damit einem ja nicht langweilig wird zu suchen, wie? Tja, Systemeinstellungen hab ich aber auch nicht. Eine kleine Suche in den Paketen ergab, daß das erforderliche Paket nicht installiert ist. Und wie ich im Laufe der Nacht noch feststellen mußte, noch viele andere Pakete auch nicht, wie z.B. ein simpler Texteditor wie KWrite. Übrigens hatte ich immer wegen der absoluten Schlichtheit und Einfachheit Kedit bevorzugt, doch wegen der Vorzüge von KWrite ist dieser der Schere zum Opfer gefallen und sucht man selbigen leider unter KDE4 vergebens. Na, dann halt KWrite. So, wenn wir jetzt die "Systemeinstellungen" mal haben, kann man ja auch gleich mal den Sound testen.....

Es fehlt die Hälfte! Oder wo ist das Sound-Paket?

Leider quitierte mir der Abspielknopf für den Sound das Abspielen auch mit einer Fehlermeldung. Da meldete sich doch so ein Phonon System, daß es einen Fehler gibt in der Soundhardware und diese daher nicht ansprechbar ist. Ein wenig in den Modulen gekruschtelt und mal auf der Kommandozeile eine Datei per cat an das Sound-Device geschickt, bestätigte mir, daß die Soundmodule geladen waren und die Soundhardware eigentlich funktionierte - nur eben über KDE4 nicht. Also wieder mal google. Zum Glück bereitete mir das Einrichten des Netzwerks keinerlei Probleme....
Google bestätigte dann auch, Alsa gibt es zwar noch, aber das neue System für den Sound heißt unter KDE4 Phonon. Und irgendwer hatte dann auch einen Plan und sagte, daß man dafür diese und jene Pakete benötigte und bei mir waren alle Pakete installiert, bis auf eines, also ein
# apt-get install phonon-backend-xine
und siehe da, nach einem Neustart ertönte ein völlig neuer Klang aus den Boxen. Sound soweit gut, Hurra!
Schon hier an dem Punkt merkte ich so langsam, daß zwar eigentlich so ziemlich alles unter KDE 4.2 funktioniert, aber zum Einen etwas anders und zum Anderen muß man erstmal die dafür erforderlichen Pakete von Hand nachinstallieren. In dieser Hinsicht sollten die Entwickler die Installations-Routine und welche Pakete bei der Installation überhaupt installiert werden sollen, nochmal nachbearbeiten. Aber dafür heißt es ja auch Debian testing.....

Zeig mir die Effekte!

Na, wenn der Sound schon geht, mal sehen, was die Grafik sagt. Wie man einen nvidia Grafiktreiber unter Debian installiert, hatte ich ja schon gelernt. Fertig gibts das Paket von Debian leider nicht, wegen des nonfree Stempels, der den Paketen anhaften würde. Immerhin gibt es Tools um sich das erforderliche Modul selber zu bauen - und das ganz automatisch. Also hab ich den module-assistant bemüht und wie gewohnt mein Paket geschnürt. Irgendwo im Laufe des Vorgangs gabs zweimal eine Fehlermeldung, daß ein Befehl veraltet ist und nicht mehr verwendet werden soll, aber das bauen lief durch und eine anschließende Eintragung in der xorg.conf und ein Neustart des X-Servers bestätigten mir, die Grafik läuft! Also soweit echt super! Nur was war das? Wieso kann ich unter der Konsole keinen durchsichtigen Hintergrund auswählen? Eine Fehlermeldung in den Einstellungen der Konsole besagt, "ihr Desktop unterstützt keine Effekte wie Transparenz". Ja, wie? Das ging aber unter KDE3.5 schon! Ein Blick in die Systemeinstellungen verrät mir, daß keine Effekte verfügbar sind, weil die XComposites fehlen. Was denn das schon wieder? Und mal wieder google (ja, ich weiß, als PC-Tester verbringt man die meiste Zeit mit Suchen im Internet....).
Google sagte es mir dann, bzw. leitete mich auf die richtige Seite, daß man die XComposites mit dem Tool nvidia-xconfig einstellen kann. Also hab ich flugs das Paket installiert und mal geguckt, was denn das Teil eigentlich macht. Ah, steht ja schön dran, es schreibt eine neue xorg.conf mit den erforderlichen Einstellungen. Na, wenn ich die Einstellungen vorher gewußt hätte, hätte ich dafür kein Tool gebraucht, sondern es lieber von Hand eingetragen. Nebeneffekt des nvidia-xconfig Vorgangs war löschen der xorg.conf, bzw. wurde die xorg.conf völlig neu geschrieben und meine Einstellungen für die deutsche Tastatur gingen damit wieder flöten. Supi! Zum Glück hatte ich vorher eine Sicherheitskopie gemacht. Also die erforderlichen drei Einstellungen rausgesucht, die xorg.conf wieder zurück kopiert und von Hand hinzugefügt. Als da wären:

Section "Screen"
Option "AllowGLXWithComposite" "True"
Option "AddARGBGLXVisuals" "True"
EndSection

Section "Extensions"
Option "Composite" "Enable"
EndSection

Und siehe da, nach einem Neustart des X-Servers konnte ich sämtliche unnützen, aber voll schönen Effekte in ihrer ganzen Bandbreite betrachten! Auch meine Konsole konnte ich endlich mit dem langersehnten, durchsichtigen, aber abgedunkelten Hintergrund versehen. Und ich muß es nochmal sagen, ob unnütz oder nicht, rein optisch sehen sie schon absolut geil und futuristisch aus. Man kommt sich gar nicht mehr wie an einem Desktop sitzend vor, sondern wähnt sich im neuesten Resident Evil Abenteuer an einem der Computer der Umbrella Corporation....

Das Einzige, was nicht so ganz in meinen Kopf will - zu KDE 3.5 Zeiten gabs auch schon eine transparente Start-/Taskleiste, Pardon Panel und einen abgedunkelten, transparenten Hintergrund für Konsolen, aber da mußte ich keine Composites aktivieren um in den Genuss von selbigen zu kommen. Oder ist gerade das der Vorteil des neuen KDE4? Haben die Entwickler die Rechenleistung die erforderlich ist um den ganzen Effekte-Schnickschnack zu betreiben etwa auf die Grafikkarte abgewälzt um die CPU zu entlasten? Wäre möglich....

FAZIT

Was bleibt unterm Strich? Alles in allem muß ich gestehen, trotz der Effekte rennt alles irgendwie viel besser. Selbst wenn ich auf der Konsole mit apt-get Pakete installiere, installieren sich diese schneller und ich denke nicht, daß das Einbildung von mir ist. So muß ich sagen, ist der erste Eindruck vom neuen Debian mit KDE4 wenn man es denn mal kapiert hat, wie jetzt der Hase läuft, durchwegs positiv. Natürlich muß man viel neues dazu lernen, da die Ein oder Andere Ecke schwer überarbeitet wurde, aber dennoch: Der neue KDE4 Desktop ist todschick, rennt ohne Ende und eigentlich funktioniert soweit alles. Okay, fast alles. Die KIO-PlugIns -bis auf sftp- sind noch nicht integriert. Ein Aufruf im Konqueror von media:/ zaubert leider noch keine Festplatten-Partitionen hervor, sondern ein schlichtes "Dieses Protokoll wird nicht unterstützt". Und über Sinn und Unsinn der Neugestaltung von vielen Ecken könnte man lange Diskussionen führen. Allen voran das altbekannte Kontrollzentrum, daß jetzt Systemeinstellungen heißt. Das hat natürlich auch eine Überarbeitung erfahren. Manche mögen es jetzt vielleicht lieber und sagen, toll, es ist übersichtlicher, aber ich sage, ob man nun die auszuwählenden Punkte senkrecht oder waagrecht anordnet und ob man sie so oder so gruppiert - ist alles Jacke wie Hose. Was auf jeden Fall bleibt, ist das neulernen wo denn jetzt schon wieder alles ist. In dem Sinne erinnert es mich ein wenig an Windows, wo mit jeder Windows-Version auch wieder altbekannte Dinge in ein anderes Eck geschoben werden. Aber da der KDE4 Dekstop ja schlanker geworden ist, habe ich absolut keine Befürchtungen daß mit der Ähnlichkeit die Entwickler auch noch die negativen Eigenschaften von Windows übernehmen....